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EinDollarBrille entwickelt neue App für Patientendaten

Interview mit Niko Kleinknecht, Leitung Country Development bei der EinDollarBrille und mit seinem Team verantwortlich für die Entwicklung der App

Zwei Männer in blauen Shirts beugen sich über ein iPad

In einem Augencamp in Santa Cruz, Bolivien, hat EinDollarBrille im März 2024 eine innovative App zur Verwaltung von Patientendaten getestet. Niko Kleinknecht, Leiter Country Development bei der EinDollarBrille, erklärt im Interview, wie wichtig diese digitale Lösung für die Effizienz und Genauigkeit der Arbeit in den Ländern ist. Die App verspricht, papierbasierte Prozesse zu digitalisieren und damit die Brillenversorgung zu beschleunigen.

Das Interview zeigt, wie Technologie die Entwicklungszusammenarbeit verändert und welche Rolle sie für die Zukunft der EinDollarBrille spielen wird.

Willkommen zurück aus Bolivien, Niko! Du warst gerade für die EinDollarBrille in Südamerika unterwegs, um unter anderem die neue App für Patientendaten zu testen.

Ja, genau. Wir haben die App bei einem großen Augencamp mit 140 Menschen in Santa Cruz, der größten Stadt Boliviens, auf Herz und Nieren getestet. Für uns war es extrem wichtig, vor Ort zu sein, um die Funktionalität der App genau auf die Arbeitsabläufe abzustimmen.

Die neue App soll künftig in verschiedenen Ländern zum Einsatz kommen. Welche Vorteile bringt sie fürdie Arbeit vor Ort?

In der Abteilung Country Development geht es immer darum, die Prozesse in den Programmländern effizienter zu gestalten. Dazu initiieren wir Pilotprojekte, die auf Best-Practice-Erfahrungen aus den Ländern basieren. Aktuell spielt die Digitalisierung eine große Rolle, da in allen Programmländern an vielen Stellen noch mit Papier gearbeitet wird. Deshalb haben wir diese App entwickelt, die die Erfassung und Weiterverarbeitung der Patientendaten an den verschiedenen Stationen eines Augencamps (Registrierung, maschineller Sehtest, manueller Sehtest, Brillenausgabe) schneller und weniger fehleranfällig machen soll. Dazu werden die Daten benutzerfreundlich in Formularen abgefragt und die Darstellung an verschiedene Endgeräte angepasst.

Porträt Niko Kleinknecht
© EinDollarBrille | Niko Kleinknecht

Wie wird sich der Einsatz von Technologien wie der Patientendaten-App auf die Effizienz der EinDollarBrille auswirken?

Oft sind es kleine Veränderungen, die eine große Wirkung haben. Erst bei meinem Besuch in Südamerika ist mir aufgefallen, dass am Ende eines Augencamps die Patientenblätter manuell nach ausgegebenen Linsen, Gestellen (inkl. Farbe) etc. mit Strichlisten aufsummiert, als Bild an die Camp-Koordinatorinnen geschickt und manuell in Übersichtstabellen zur Lagerhaltung und Dokumentation eingetragen werden. Mit unserer App ist das zukünftig mit einem Klick erledigt.

Drei Personen beugen sich über ein iPad
© EinDollarBrille | Die neue App im Praxistest beim Augencamp in Santa Cruz, Bolivien

Inwiefern unterstützt die App das Team vor Ort und welchen Beitrag leistet sie zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung?

Mit der App können die Patientinnen schneller und fehlerfrei versorgt werden. Bei meinem Besuch in Kolumbien hat sich gezeigt, dass wir damit auch einen Beitrag zur Unterstützung des Gesundheitssystems leisten. Dort ist es Pflicht, ein staatliches Programm zu nutzen, in dem die Patientendaten ähnlich wie bei uns erfasst werden. Durch die Zusammenarbeit vor Ort haben wir eine Lösung gefunden, damit doppelte Eingaben in unserer App und in der staatlichen App vermieden werden: Die Daten unserer App können in einer Tabelle ausgegeben werden, die vom staatlichen System importiert werden kann.

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen deiner Abteilung und den Teams in den Ländern aus, um sicherzustellen, dass die App optimal genutzt wird und den Bedürfnissen der Nutzer entspricht?

Alle Teams waren sehr offen, die App zu testen, was immer einen zusätzlichen Aufwand bedeutet. Gerade am Anfang von Veränderungen in einem eingespielten Prozess ist es wichtig, Akzeptanzkriterien zu finden. Dabei sind wir natürlich auf das Feedback der Kolleginnen in den Ländern angewiesen. Das hat immer sehr gut funktioniert, weshalb wir zum Beispiel die Eingabe der Messergebnisse nicht als Kombinationsfeld, sondern als eine Art Tachometer gestaltet haben.

Drei Männer beugen sich über ein Ipad
© EinDollarBrille | Isaac, Niko und Rider besprechen die neuesten Ergebnisse

Wie werden die Daten aus der App ausgewertet und genutzt?

In der finalen Version der App werden die Daten direkt in die Berechnung des VALY einfließen. Dieser kann dann zur Steuerung der nächsten Augencamps genutzt werden, indem z.B. die Frage beantwortet wird: Welche VALYs wurden in dieser Region/in diesem Camp generiert? Darüber hinaus sollen Fragen zum sozioökonomischen Umfeld in die App integriert werden, um noch genauer steuern zu können, dass wir die Menschen erreichen, die wir wirklich erreichen wollen, d.h. bei denen wir die größte Wirksamkeit erzielen.

Welche Rolle spielen Datenschutz und Datensicherheit bei der Patientendaten-App?

Eine ganz entscheidende! Wir müssen uns in den jeweiligen gesetzlichen Rahmenbedingungen der Länder bewegen. Deshalb sind zum Beispiel in den Daten, die in Deutschland zur Auswertung herangezogen werden, keine personenbezogenen Daten enthalten. Der Zugriff ist auf das jeweilige Land beschränkt.

Frauen mit Zetteln in der Hand sitzen in einer Reihe von Stühlen vor einem Plakat
© EinDollarBrille | Patientinnen warten auf den Sehtest – noch mit einem Laufzettel in der Hand

Wie wird sich die Patientendaten-App in Zukunft weiterentwickeln, um den größtmöglichen Nutzen vor Ort zu erzielen?

Wir sind gerade dabei, die App auch offline nutzbar zu machen, da in vielen Regionen die Internetverbindung nicht stabil genug ist. Dafür nutzen wir NFC-Karten, auf denen die Patientendaten gespeichert und von Station zu Station weitergegeben werden, so dass die Stationsgeräte nicht mehr miteinander kommunizieren müssen. Das soll die Arbeit in den Ländern noch effizienter machen. In Zukunft könnten diese NFC-Karten sogar als eine Art Gesundheitskarte mit den Behandlungsdaten an die Patienten ausgegeben werden – und aus Marketingsicht mit einer Kontaktnummer und QR-Codes oder ähnlichem bedruckt werden. Es geht auch darum, die Apps, die in einigen Programmländern (Indien, Brasilien, Paraguay, Peru) bereits existieren oder gerade entwickelt werden, mit den zentralen Datenbanken zu verknüpfen, so dass kein gegenseitiger manueller Export oder Import mehr nötig ist.

Zwei bolivianische Mädchen mit EinDollarBrillen

Welche technologischen Trends siehst Du als besonders relevant für die Arbeit der EinDollarBrille?

Zukünftig wird es darum gehen, die jeweiligen Messgeräte, die im Augencamp eingesetzt werden, mit der App zu verbinden, so dass die Messwerte nicht mehr manuell eingegeben werden müssen. Darüber hinaus werden neue Möglichkeiten der Direktdiagnose mittels künstlicher Intelligenz möglich sein. Auch hier muss eine Anbindung an die App erfolgen. Eine Herausforderung  sind die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Ländern.

Wie wichtig ist es aus deiner Sicht, dass NGOs wie die EinDollarBrille innovative Technologien nutzen?

Es gilt in Zukunft, die verschiedenen Anwendungen in der digitalisierten Welt (Mess- und Eingabegeräte, Ergebnisse aus KI-gestützten Diagnosetools, Umfragedatenbanken, lokale Apps der Länder) miteinander zu verknüpfen, um effizient steuern zu können und jederzeit einen aktuellen Überblick über unsere Aktivitäten zu haben. Denn nur so können wir möglichst vielen Menschen möglichst schnell wieder zu gutem Sehen verhelfen.

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